Herrschaft


1. Grundherrschaft St. Mauritz
Das im Bistum Münster nach dem Domkapitel bedeutendste und älteste Stift St. Mauritz lag im Osten des Bischofssitzes, fast eineinhalb Kilometer vom Dom entfernt, weitab vor den Toren der Stadt Münster.
Die wichtigsten Baulichkeiten des Stiftskapitels umfaßten bis zum Ende des zwölften Jahrhunderts die wuchtige Kollegiatkirche mit den beiden romanischen Osttürmen, dem Westturm, der Erphokapelle und der Propstei, im Nordosten die Dechanei und die acht Kanoniker- wohnungen. Ein breiter Wassergraben, Erdwälle und ein Palisadenzaun grenzten den Immunitätsbezirk ab. Zwei mit Zugbrücken versehene Tore erlaubten den Zugang vom Osten und Westen. Die Pilöre, die aus Ziegeln erbauten Pfeiler des östlichen Tores stehen heute noch.
Innerhalb der Immunitas Sancti Mauritii übte ein Kollegiatkapitel von acht bis zwölf Kanonikern seine seelsorgliche, liturgische und lehrende Tätigkeit aus. Die Männer entstammten vornehmlich dem niederen Landadels Münsters und seines Umlandes. Offener als die Klöster dienten die Stifte dem Versorgungsgedanken.
Jöllenbecker Höfe die 1556 zur Grundherrschaft St. Mauritz gehörten |
Johan tho Hemmynckholtz (Hof Kassing) |
Johan Buschman (Hof Buschmann) |
Toniß Holtman (Hof Holtmann) |
Sewin Heminckholt (Hof Sewing) |
M. Heinrich thor Hove (Hof Höner) |
Heinrich Nonnensieck (Hof Nunnensiek) |
Jurgen Hervorderholt (Hof Herholt) |
Peter Ellersieck (Hof Ellersiek) |
Wilhelm Krevet (Hof Kraft) |
Geistliche Grundherrschaften wie das Stift St. Mauritz über- wogen in Westfalen und waren in der mittelalterlichen Feudalgesellschaft sehr verbreitet. Den umfangreichen Grundbesitz des Stiftes, das selbst nur eine geringe grundherrliche Eigenwirtschaft besaß, hatte man nach der Villikationsverfassung in Fronbezirke aufgeteilt, die wiederum aus einem Haupthof und mehreren Unterhöfen bestanden. Grundherr des Stiftes war der Propst, der die Villikationen verlieh und die vornehmste Stelle im Kapitel bekleidete.
Noch bis zum Anfang des 16. Jahrhundert wurde das Getreide in natura zum Kornhaus des Propstes nach Münster gebracht werden. Das Stift lag zwar weit von Jöllenbeck entfernt, achtete aber trotzdem auf die pünktliche Lieferung seiner Forderung.
Quellen:
Antonia Bösterling- Röttermann : Das Kollegiatstift St. Mauritz-Münster: Untersuchungen zum Gemeischaftsleben und zur Grundherrschaft des Stiftes von den Anfängen bis zur Mite des 14. Jahrhunderts, Münster 1990.
Franz Herberhold (Hg.): Das Urbar der Grafschaft Ravensberg 1556, Bd. 1, Münster 1960.
M. Lapp: Die Verfassung der Grundherrschaft St. Mauritz im Mittelalter, Leipzig 1912.
Bildnachweis:
Privatarchiv Kassing

2. Villikation Lenzinghausen
Die geistlichen Grundherren überwogen in Westfalen. Die weit verstreute Villikation Lenzinghausen, ein Streubesitz an dienst- und zinspflichtigen Bauernhöfen, bildete den östlichen Außenposten der Besitzungen des Kollegiatstiftes St. Mauritz und stellte mit neunzehn Hufen den größten Höfeverband dar. Fünf dieser Hufe waren allerdings verlassen worden.
Die Unterhöfe dieser Villikation verteilten sich in den Bauerschaften, Spenge (Lenzinghausen), Jöllenbeck (Hemmigholt), Enger, Werther, Neuenkirchen, Wallenbrück, Riemsloh, Hoyel und ragten bis ins Osnabrücker Bistum hinein. Jöllenbeck (Hemmigholt), Enger, Werther, Neuenkirchen, Wallenbrück, Riemsloh, Hoyel und ragten bis ins Osnabrücker Bistum hinein.
Grund- und Zehntherschaft des Stiftes St.Mauritz vor Münster um 1200
(rekonstruiert nach Urkataster von 1825)
Die Villikation Lenzinghausen verwaltete der Haupthof Meier zu Lenzinghausen, der die Verbindung zwischen dem Grundherrn St. Mauritz und seinen Hintersassen darstellte. Die Stätte hatte man mit einer stattlichen Fläche Ackerland und den Rechten an den westlich und südlich des Hofes, zwischen Lenzinghausen und Jöllenbeck
gelegenen mit Buchen durchsetzten großen Eichenwäldern, ausgestattet. Dieses noch geschlossene Waldgebiet Nagelsholtz erstreckte sich bis zum großen Hof Bargholz. Für das Stift eröffnete sich damit die Möglichkeit, durch spätere Rodung des Waldes und der Ansiedlung neuer Höfe, sein Herrschaftsgebiet zu erweitern.
Als Hofinhaber fungierte der Meyer zu Lenzinghausen auch als Richter im Hofgericht der Mauritzer Grundherrschaft. Er besaß alle gerichtliche Exekution innerhalb der Gerichtsverfassung des Fronhofes und übte so eine gewisse niedere Gerichtsbarkeit aus. In der Regel stammte der Meier aus der Schicht des unfreien bäuerlichen Standes.
Die auf den Lenzinghausener Höfen lebenden Hörigen zählten zum Güterbestand und wurden mit dem Grundbesitz vertauscht, verschenkt oder verkauft. Der Bauer war Höriger und Untertan. Er kannte seinen Herrn; die Gewißheit der endlichen Erlösung und das Dasein als Beharrlichkeit und Wiederholung.
Trotz der zahlreichen Erben konnte die Villikation Lenzinghausen ihren Güterbestand bis ins 15. Jahrhundert bewahren und durch Rodungen sogar erweitern.
Quellen:
Franz Darpe (Bearb.): Heberegister des Klosters Überwasser und des Stiftes St. Mauritz, Bd. III, Münster 1888.
Gustav Griese (Hg.): Über 900 Jahre Lenzinghausen, Halle 1956.
Bildnachweis:
Privatarchiv Kassing

3. Landtage zu Jöllenbeck
Wahrscheinlich war die Jöllenbecker Marienkirche schon vor 1522 ein Versammlungsort der Landtage gewesen. Jöllenbeck liegt in der Mitte der Grafschaft Ravensberg und war ein neutraler Ort gegenüber Herford und Bielefeld.
Das zentral gelegene Dorf eignete sich somit vorzüglich als Versammlungsstätte für die Edelherren, Ritterschaft, Adeligen, Gesandten der Städte von Bielefeld und Herford und die Grafen von Ravensberg.
Fast zwei Jahre nach der Kirchenvisitation fand zu Jolenbecke uff Montag den vjten des Monts September Anno 1535, in der Jöllenbecker Marienkirche wieder ein Landtag statt, ein einmaliges und großes Ereignis für das Dorf.
Für die Jöllenbecker Landbevölkerung muss es abermals ein großes Ereignis gewesen sein, als am 16. Juli 1609 in der Marienkirche wieder einmal der Landtag stattfand. Hunderte von Besuchern weilten an diesem und manchmal auch an mehreren Tagen im Dorf Jöllenbeck. Die Religionsfreiheit wurde wieder hergestellt und die Grafschaft Ravensberg fast vollständig lutherisch.
Um die zweihundert Personen eilten aus allen Richtungen nach Jöllenbeck, das im Mittelpunkt von Ravensberg liegt und als politisch neutraler Ort galt. Auch Johann III., Herzog von Kleve, Jülich und Berg, Graf von Mark und Ravensberg, mit Gemahlin und großem Gefolge war diesmal dabei und demonstrierte so die Wichtigkeit der kommenden Verhandlungen. Den Besuch verband der Herzog mit einer Inspektionsreise zur besseren Kenntnis von Land und Leute.
Was dachten wohl die Jöllenbecker Bauern auf den Äckern und am Wegesrand, als sie den langen prunkvollen Zug mit dem Herrscherpaar in seinen prachtvollen Gewändern, den elf Edelherren in hemptharnisch und anderer rustong, den Gesandten von Bielefeld und Herford, den mehr als dreißig gepanzerten Reitern mit fast einhundert Pferden aus den vier Ämtern der Grafschaft mit ihren Harnischen, den drei vornehm gekleideten Adeligen mit irem draffharnisch und dem Gefolge in Richtung ihrer Kirche an sich vorbeiziehen sahen?
Diesmal ging es bei der Versammlung um die Reform des Gerichtswesens, um Privilegien, Streitigkeiten, Ordnungen und Edikte, also auch um die Belange der Jöllenbecker Bauern und Heuerlinge. Um den gemeynen nutz und beste zu fordern, die rechten zu hanthaben und frid, eynicheit, guthe ordnung und policy uffzurichten.
Ein neues Register, das Ravensberger Urbar, mußte endlich angelegt werden. Es sollte dem Herzog einen genauen Überblick über Zehnte und Dienste, Äcker und Wiesen in seinem Land verschaffen und stand im Zusammenhang mit der Verwaltungsreform. Zwanzig Jahre sollte es dauern bis diese große Aufgabe bewältigt war.
Quellen:
Peter Florens Weddigen: Beschreibung der Grafschaft Ravensberg in Westfalen, Bd.1, Leipzig 1790
Vgl. Franz Herberhold (Bearb.): Das Urbar der Grafschaft Ravensberg von 1556, Bd. 2, Münster 1981
Staatsarchiv Münster, Mscr. VII, 3101, I.
Staatsarchiv Münster, KDKM, VI, Nr. 458, Bd. 1.
Bildnachweis:
Stadtarchiv Bielefeld, Privatarchiv Kassing
4. Ravensberger Urbar von 1556
Am 22. März 1556 tagte der Landtag wieder im Kirchspiel Jöllenbeck, das zur Vogtei Schildesche und somit zum Amt Sparrenberg gehörte. Diesmal war es ein Landtag von besonders großer Bedeutung für die Grafschaft Ravensberg, da er die schon 1535 eingeleiteten Verwaltungsreformen weiterschrieb.
Das neue Verzeichnis, das Ravensberger Urbar, sollte endlich fertiggestellt werden: Eine Bestandsaufnahme und Vermessung der Güter sowie die Registrierung der zu leistenden Abgaben und Dienste. Zuständigkeiten und Einkommen wurden nun klar geregelt. Die Gogerichte neu geordnet. Als Recht konnte sich nur noch behaupten, was als geschriebenes Recht vorgewiesen werden konnte. Das neue Urbar war zuverlässiger als jede Zeugenaussage.
Nach Beendigung des Landtages begann man sofort mit der Arbeit, die man noch im selben Jahr abschließen konnte. Zur unmittelbaren Niederschrift des Registers befragte man die Untertanen persönlich in den Kirchspielen und Bauerschaften. Oft waren bei den Zusammenkünften die Nachbarn dabei und ergänzten die Auskünfte. Vogt, Untervogt und Rentmeister überprüften die Angaben der Bauern. Nicht jeder Bauer erschien zu der Befragung, fühlte sich nicht angesprochen oder war anscheinend erkrankt. Durch ihre Grund- und Leibherrschaften hatten die Grafen von Ravensberg inzwischen fast auf ganz Jöllenbeck Einfluss genommen. Lediglich die im Norden liegende Hemmigholter Siedlung zählte noch nicht dazu.
Die Oberjöllenbecker Höfe im Ravensberger Urbar von 1556 (im Jahre 1825) | |||
Urbar 1556 | Haus-Nr. | Leibherr | Name |
445 | 15 | s. Mauritii | Johan tho Hemmynckholtz |
446 | 22 | capittel zu Bielefeld | Johann Redeker |
447 | 21 | M.G.H. | Ludeke de Olde Hovener |
448 | 27 | M.G.H. | Johan Totbusch |
449 | 28 | M.G.H. | Ludeke Snait |
450 | 7 | commenthur zu Herford | Johan Hagemann |
451 | 17 | commenthur zu Herford | Herman der Niedermulner |
452 | 26 | commenthur zu Herford | Heinrich Liechtenberg |
453 | 3 | M.G.H. | Johan Guntelmann |
454 | 5 | M.G.H. | Aloff Drieckmann |
455 | 9 | capittel zu Bielefeld | Lacob Castrop |
456 | 4 | M.G.H. | Heinrich Kindermann |
457 | 19 | M.G.H. | Johann Barchfeld |
458 | 23 | M.G.H. | Peter Limberg |
459 | 1 | M.G.H. | Johan Meier zu Barchholtz |
460 | 2 | M.G.H. | Ludeke zu Barckholt |
461 | 10 | s. Mauritii | Johan Buschmann |
462 | 13 | s. Mauritii | Toniß Holtmann |
463 | 11 | s. Mauritii | Sewin Heminckholt |
464 | 29 | s. Mauritii | M. Heinrich thor Hove |
465 | 14 | s. Mauritii | Heinrich Nonnensiek |
466 | 20 | s. Mauritii | Jurgen Hervorderholt |
467 | 8 | s. Mauritii | Peter Ellersieck |
468 | 12 | s. Mauritii | Wilhelm Krevet |
469 | 18 | M.G.H. | Heinrich Huisemann |
470 | 30 | M.G.H. | Hartwich Bitter |
471 | 24 | M.G.H. | Herman Gravemann |
472 | 16 | capittel zu Bielefeld | Heinrich Boickmann |
473 | 6 | M.G.H. | Ludeke Hegenbroich |
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Urbar 1556 | Haus-Nr. | Leibherr | Name |
474 | 18 | M.G.H. | Cort Lohemann |
475 | 10 | Nagel | Johan Boickschat |
476 | 6 | Nagel | Johan Berckmann |
477 | 12 | Nagel | Johan Speckmann |
478 | 3 | Nagel | Heinrich Meier tho Peppendorff |
479 | 7 | Ledebur | Hartwich Kamphovener |
480 | 24 | Ledebur | Heinrich Stortekorff |
481 | 34 | M.G.H. | Johan Vur dem Baum |
482 | 15 | Wend | Heinrich Mulner zu Peppendorff |
483 | capittel zu Bilveld | Ludecke uf der Bolckeshove | |
Gerhardten van Quernheim | weib und kinder | ||
484 | 2 | M.G.H. | Heinrich Upmeier tho Beltzen |
485 | bei 2 | M.G.H. | Ludeke vur dem Hegk |
486 | 1 | Gerhard van Quernheim | Johan Beltzemeier |
487 | 5 | capittel zu Bilveld | Cort Meier tho Jolenbeck |
488 | 29 | capittel zu Bilveld | Heinrich Roloff |
489 | 28 | capittel zu Bilveld | Ludeke Mocker |
490 | bei 28 | capittel zu Bilveld | Hermann Gerdener |
491 | 31 | capittel zu Bilveld | Heinrich Niehuiß |
492 | 41 | capittel zu Bilveld | Johan Oldhof |
493 | 14 | Ledebur | Johan Slaithagen |
494 | 9 | M.G.H. | Heinrich Sairman |
495 | 25 | M.G.H. | Peter Kortsieck |
496 | 8 | M.G.H. | Jaspar Tho Worde |
497 | 13 | M.G.H. | Herman Haubman |
498 | 16 | M.G.H. | Johan zun Worden |
499 | 19 | M.G.H. | Cordt Wordey |
500 | 4 | M.G.H. | Cordt Düdinglohe |
501 | 25 | M.G.H. | Johan Heitsiek |
502 | 23 | M.G.H. | Berndt Siegkman |
503 | 20 | M.G.H. | Johan de Over Hoepmann |
504 | 27 | M.G.H. | Johan Schroder |
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Als Landschreiber in Jöllenbeck fungierte Gabriel Mattenclott. Mit seiner leichten, flotten und klaren Handschrift notierte der Mann die mündlichen Auskünfte der Bauern. Für das Kerspel und die Nider Burschafft Jöllenbeck zählt das Urbar der Grafschaft Ravensberg 50 Besitzungen auf. Zumeist handelt es sich dabei um Bauern und Kotter
Quellen:
Herberhold, Franz (Hg.): Das Urbar der Grafschaft Ravensberg 1556, Bd. 1, Münster 1960.
Staatsarchiv Münster, KDKM, VI, Nr. 458, Bd. 1.
Bildnachweis:
Privatarchiv Kassing

5. Landesvermessungskataster von 1685
Noch 1685, fast 130 Jahre nach der Erstellung des Ravensberger Urbars, stellte man von Seiten des Amtes auf dem Sparrenberg ein Landvermessungs- und Taxationsregister auf. Das neue Kataster bietet erstmals nach 1556 die Gelegenheit, Einblick in die veränderte siedlungsgeschichtliche Situation Jöllenbecks zu nehmen.
Im Gegensatz zum Ravensberger Urbar von 1556 ist das neue Verzeichnis wesentlich ausführlicher angelegt und gibt einen umfassenden Überblick in die Besitzverteilung der bäuerlichen Bevölkerung. Das Register enthält ausführliche Informationen über Zahl und Lage des zu jedem Hof gehörende Sädig Land, der Wiesen, der Gehöltze, der Gärten sowie den Wert von Haus und Hoff und Kotte.
Unter Sädig Land registrierte man die Felder auf denen die Saat ausgestreut wurde, zumeist Roggen oder Hafer. Die Wiesen produzierten Gras und Heu für das Vieh. Das Gehöltz lieferte das Brenn- und Bauholz für den Hof sowie das Futter für die Schweine. Als Unland bezeichnete man das Land, das zur Zeit ungenutzt blieb.
Die Parzellen des Hofes ordnete man nach der Rangordnung ihrer Bodenqualität und teilte sie in drei Güteklassen auf. Die Flächen der Grundstücke wurden in den üblichen Ackermaßen angegeben und bestimmten die Hofgröße.
Für die Oberbauerschaft Jöllenbeck registrierte man zum Beispiel die Stätte Caßing: 15 Casting. den H. zu S. Mauritz eigen. Zum ersten Mal wurden die Jöllenbecker Höfe mit eigenen Nummern versehen.
Quellen:
Staatsarchiv Münster, KDKM (neu) III.251
Bildnachweis:
Privatarchiv Kassing
6. Lasten der Eigenbehörigkeit
Die auf den Höfen in Jöllenbeck lebenden Menschen zählten zum Güterbestand ihrer Besitzer und wurden mit dem Grundbesitz vertauscht, verschenkt oder verkauft. Sie waren in ihrer Freiheit eingeschränkt, jedoch keine Leibeigenen. Die Bauern waren Hörige und Untertanen. Das Nutzungsrecht an ihrem Hof erhielten sie von ihrem Grundherrn. Dafür hatten sie bestimmte Verpflichtungen zu erfüllen. Der Hof auf dem die Bauern lebten und arbeiteten gehörte ihnen nicht, Eigentum konnten und durften sie nicht bilden.
Die Eigenbehörigen galten als nicht völlig rechtlos. Rechte und Pflichten konnten gegenseitig eingeklagt werden. Dafür, dass der Grundherr das Land zur Bewirtschaftung erblich zur Verfügung stellte, leistete der Eigenbehörige feste Abgaben und Dienste. Ohne die Erlaubnis seines Herrn durfte der Bauer seinen Hof nicht verlassen, sich verschulden, heiraten oder auf die Leibzucht wechseln.
Grund- und Leibherrschaft fielen dann zusammen, wenn der Grundherr sein Land mit ihm eigenbehörigen Leuten besetzen konnte (z.B. Stift St. Mauritz und die Grafen von Ravensberg).
Um 1556 gab es in Jöllenbeck noch acht Grundherren |
Die Grafen von Ravensberg |
Das Kapitel zu Bielefeld |
Das Kloster St. Mauritz vor Münster |
Die Komturei zu Herford |
Der Adelige Gerhard von Quernheim |
Die adelige Familie Nagel |
Die adelige Familie Ledebur |
Die adelige Familie Wendt |
Die Überlieferungen sind spärlich und ungleichmäßig. Unterschichten und Bauern haben keine schriftlichen Hinterlassenschaften. Es dominieren die Dokumente der kirchlichen Archive. Gewiss ist, dass die abhängigen und persönlich unfreien Bauern an ihren Grundherrn, Kennzeichen des Feudalsystems, belastende regelmäßige und unregelmäßige Abgaben zahlen mussten, die vom Haupthof zu eingezogen wurden und für deren Ablieferung der Meier verantwortlich war.
Zu den regelmäßigen und gewissen und somit konstant gebliebenen Abgaben zählten die Gefälle wie Pachtkorn und Zehntgetreide. Getreidelieferungen, die jährlich, meist zu St. Michaelis, dem 29. September, als Naturalien und Geldzahlungen erbracht werden mussten. Für die Höhe dieser Leistungen war die wirtschaftliche Kraft des Hofes und die geschätzte Qualität seines Ackerbodens maßgeblich. In der Regel betrug die Pacht fast ein Drittel, der Zehnt hingegen ein Zehntel der mühsam eingebrachten Ernte. Getreide war das einzige Grundnahrungsmittel. Schon im Dritten Buch Mose heißt es, dass alle Zehnten im Lande, vom Ertrag des Landes und von den Früchten der Bäume, gehören dem Herrn und sollen dem Herrn heilig sein.
Die Trennung von Arbeit und Eigentum ist charakteristisch für die Grundherrschaft. Solange die Bauern ihren Verpflichtungen nachkamen, durften sie vom Hof nicht vertrieben werden, konnten ihn aber auch nicht verlassen oder verkaufen. Das Erbrecht fesselte Generationen von eigenbehörigen Bauernfamilien an den Hof. Letztlich trugen die Bauern die Lasten. Gefragt wurden sie nicht. Die Bauern waren kein Stand. |
Der Zehnt, Kornzehnt und Blutzehnt, von Karl dem Großen durch das allgemeine Zehntgebot eingeführt, gebührte dem Bischof und der Kirche und diente zu deren Lebensunterhalt. Von allen zum Trocknen auf dem Feld aufgestellten Garben wurde jede Zehnte abgeholt. Dieses schwierige und konfliktreiche Verfahren führte später dazu, daß man den Zehnt vom gesamten gemahlenen Korn erhob. Die Ernte des Getreides, in der Regel der relativ anspruchslose Roggen vor der anspruchsvolleren Gerste, konnte zwei bis drei Wochen dauern. Die knappe Erntezeit erforderte den optimalen Einsatz aller Arbeitskräfte. Spanndienste waren auf die ältesten Höfe beschränkt, denn nur sie besaßen die nötigen Pferdegespanne.
Die Ablösung der Naturalwirtschaft durch die Geldwirtschaft, Transportschwierigkeiten und Lagerprobleme führten später dazu, daß man dem Meier die Naturalabgaben überließ und stattdessen einen finanziellen Ausgleich von ihm forderte. Die Dreifelderwirtschaft ermöglichte die Steigerung der Getreideerträge und sicherte eine bessere Versorgung der Bevölkerung. Um ihre Herren und sich ernähren zu können, mußten die unfreien Bauern unbedingt Überschüsse erwirtschaften.
Zu den unregelmäßigen und ungewissen Abgaben zählten Sterbfall, Gewinn- und Auffahrtsgeld, Weinkauf und Freibrief. Der Sterbfall fiel beim Tod des Hofbesitzers an und und mußte vom Hoferben gezahlt werden. In der Regel forderte man die Hälfte des mobilen und unbeweglichen Eigentums. Später wandelte man auch diese Abgabe in eine Geldleistung um. Das Gewinn- und Auffahrtsgeld wurde fällig, wenn das Erbe angetreten wurde und eine Eheschließung bevorstand. Der auf den Hof einheiratende Partner mußte sich von seiner alten Grundherrschaft freikaufen, um sich dann in die persönliche Abhängigkeit zu dem Grundherrn seines Ehepartners zu begeben. Der nicht belastende Wechselbrief war für jeden erforderlich, der seine Grundherrschaft verlassen wollte. Der Eigenbehörige wurde dann gegen einen anderen Eigenbehörigen eines anderen Grundherrn getauscht. Der Weinkauf wurde als Gebühr fällig, wenn Eigenbehörige auf den Hof auffuhren oder ihn gewannen. Teilweise wird in den Quellen Auffahrt gleichbedeutend mit Weinkauf gesetzt. Nicht selten wurde der Weinkauf zusätzlich zum Auffahrtsgeld bezahlt. Da die Eigenbehörigen persönlich nicht frei waren, durften sie ohne Genehmigung des Stiftes weder heiraten noch den Hof verlassen. Sie mußten daher, in der Regel für eine Einheirat, einen Freibrief kaufen.
Unter dem Krummstab ist gut leben, dachten wohl die Jöllenbecker Bauern, die einem kirchlichen Grund- und Leibherrn (z.B. Stift St. Mauritz vor Münster oder Kapitel zu Bielefeld) gehörten, denn dieser war in der Regel milder und nachlässiger als der adelige Herr (z.B. Ledebur, Nagel oder Wendt) auf den naheliegenden Gütern Mühlenburg und Königsbrück.
Quellen:
Staatsarchiv Münster, KDKM, VI, 477, 491.
Staatsarchiv Münster, St. Mauritz, L 9, Bd. 10.
Bildnachweis:
Privatarchiv Kassing

7. Aufhebung der Eigenbehörigkeit
In einem Dekret vom 23. Januar 1808 erließ Jerome, König von Westfalen, Bestimmungen über die Abschaffung der Eigenbehörigkeit. Die dazu folgenden Einzelgesetze trieben die Bauernbefreiung aber nur schleppend voran.
Das Königreich Westfalen wurde nach dem Frieden von Tilsit (1807) von Napoleon Bonaparte für seinen Bruder Jérôme aus dem ehemaligen Herzogtum Braunschweig, Kurhessen und den ehemaligen hannoverschen und preußischen Gebietsteilen geschaffen. Napoleon setzte seinen jüngsten Bruder als König ein.
Das Königreich Westfalen sollte ein Musterstaat im Herrschaftsbereich Napoleons werden! Jérôme brachte die für dieses Ziel erforderlichen Fähigkeiten mit. Gemäß dem napoleonischen Grundsatz, dass zwar alle persönlichen, nicht aber alle politischen Freiheiten zu gewähren sind, führte er den "Code Napoleon" ein, was die Schaffung eines fortschrittlichen Gerichtswesens, die Abschaffung der Patrimonialgerichte und die Aufhebung der Leibeigenschaft sowie die Gewerbefreiheit mit sich brachte.
Jöllenbeck lag im französisch besetzten Königreich Westfalen. Im Zuge der territorialen Umgestaltung hatte man die Grafschaft Ravensberg in zwei Teile geschnitten. Der Johannisbach im Nachbardorf Schildesche bildete die Grenze zwischen dem Königreich Westfalen und dem Kaiserreich Frankreich.
Einige Jöllenbecker Höfe konnten die Belastung bar zahlen; andere belastete der Zins noch Jahrzehnte. Geschwächt oder gar runiert wurde deswegen aber in Jöllenbeck keine der Stätten.
Die Jöllenbecker Bauern erhielten vorerst noch nicht das volle Verfügungsrecht über ihren Hof. Mit dem grundherrlichen Obereigentum blieben auch die Dienste und Abgaben erhalten. Aus vielerlei Gründen konnte an eine Aufhebung der bäuerlichen Lasten noch nicht gedacht werden. Zwar wurde die persönliche Bindung des Bauern entschädigungslos aufgehoben, die Reallasten jedoch nur gegen Zahlung des zwanzig- bis fünfundzwanzigfachen Betrages einer Jahresbelastung für ablösbar erklärt.
Quellen:
Reinhard Vogelsang: Geschichte der Stadt Bielefeld, Bd. 1,
Von den Anfängen bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts, Bielefeld 1989.
Bildnachweis:
Privatarchiv Kassing