Handwerk und Gewerbe

1. Schicht der Heuerlinge
Heuerlinge gab es schon im 16. Jahrhundert in Jöllenbeck. Es waren fast immer die nicht erbberechtigten Geschwister des Bauern, da eine weitere Zersplitterung des Hofes verboten war. Im Übergabevertrag verpflichteten sich die Eltern des Erben die Verwandten bis zu deren Lebensende auf dem Hof zu behalten.
Ein Handwerk zu erlernen war für die Bauernnachkömmlinge nicht besonders verlockend, da Handwerker als arme Burschen galten und nur wenig Prestige hatten. Sicherheit und Geborgenheit mußten aber mit völliger Abhängigkeit bezahlt werden. Auf dem Hof waren also die unverheirateten Kinder in vertrauter Umgebung und gut versorgt. Knechte und Mägde kamen aus kinderreichen Heuerlingsfamilien, die ihre Kinder nicht ernähren konnten. Sie wurden dabei von jedermann mit Du angeredet; der Nachname geriet dabei in Vergessenheit. Zumeist brachte der Bauer seine besitzlosen Landarbeiter in den Nebengebäuden wie Speicher, Backhaus, Scheune und Kotten, seltener im Hauptwohngebäude, unter.
Wahrscheinlich gab es schon um 1550 Heuerlinge auf den Jöllenbecker Höfen, da in dieser Zeit fast vierhundert Heuerlingsfamilien im Ravensberger Land lebten. Schon um 1770 bestanden zwei Drittel der Bevölkerung aus Heuerlingen.
Die totale Abhängigkeit des Heuerlings von seinem Bauern zwang die Besitzlosen zu Tätigkeiten wie die Leinenweberei, Flachsspinnerei, Hollandgängerei und die Arbeit als Ziegeler. Der Heuerling, persönlich frei, war in seinem Hauptberuf demnach Spinner und nicht Landarbeiter.

In einem Heuerlingskotten wohnten im Durchschnitt zwei Familien. Das den Heuerlingen vom Bauern zugeteilte Pachtland war für eine eigene Existenzsicherung zu klein. Der Heuerling durfte aber an den Markennutzungsrechten seines Bauern teilnehmen mit dem er für vier Jahre einen Vertrag abgeschlossen hatte.
Auch in Jöllenbeck waren die Heuerlinge die größte Bevölkerungsgruppe. Frei aber war der Heuerling nur in der Wahl seines Bauern. Im Zuge der Markenteilungen waren die Heuerlinge leer ausgegangen. So also blieb den Heuerlingen nichts anderes übrig als zusätzliche Gewerbetätigkeiten wie Spinner, Weber und Holzschuhmacher aufzunehmen. Nur so konnten sie ihr absolutes Existenzminimum sichern.
Heuerlinge, Spinner und Weber hatten nur geringe Chacen besonders alt zu werden. Ihr Lebenserwartung war relativ gering. Zu schlecht waren die Wohnverhältnisse und Arbeitsbedingungen. Mit den neuen billigen Massenprodukten der Spinnmaschinen und mechanischen Webstühlen konnte der Handspinner nicht mehr mithalten. Es begann die Not der Spinner und Weber.

2. Not der Spinner und Weber
Seit Beginn des Jahres 1840 hatte sich aus der Wirtschaftskrise auch in Jöllenbeck eine Hungerkrise entwickelt, die hauptsächlich die Spinner und Weber betraf.
Deutlich zeichnete sich ab, dass der am Ende der dreißiger Jahre begonnene Wettlauf des traditionellen Spinnens und Webens mit den neuen automatischen Spinn- und Webmaschinen den Betroffenen keine Chance mehr gab.
Die Not traf aber weniger die Bauern, Kaufleute und Weber als die Berufsspinner, die nicht auf die Landwirtschaft ausweichen und nur mit der Spinnerei ihren notwendigen Unterhalt sichern konnten. Noch in früheren Jahren waren die Berufsspinner relativ selbständig und unabhängig gewesen.
Die Spinner, die als arme Heuerlinge in einem der zahlreichen Kotten auf einer kleinen Parzelle lebten, hatte man spätestens bis 1820 von der Allmende vertrieben. Mit dem Verfall der Handspinnerei sanken auch die sowieso schon spärlichen Einnahmen. Das rasche Bevölkerungswachstum verschärfte zusätzlich die Notlage der Spinner.
Im Vergleich zu den Spinnern sah es bei der Mehrheit der Weber etwas besser aus. In der praktischen Verkaufsrandfolge stand der Weber zwischen dem Kaufmann und dem Spinner. Der Weber gab daher die durch das neue Maschinengarn verursachten Gewinneinbußen an den Spinner weiter. Nur wenige Heuerlinge konnten sich zudem die kostspieligen Webstühle leisten. Außerdem benötigte man einen gut belichteten Webraum.
1843 genehmigte man auch in Preußen den Import englischer Maschinen. Der Preisverfall für das handgesponnene Garn konnte nicht mehr gestoppt werden. Durch das Überangebot von Maschinengarn drückten die Weber abermals die schon niedrigen Preise. Zum Elend der Heuerlinge, dem Hunger, der Bettelei und dem starken Bevölkerungswachstum gesellten sich noch Mißernten und Krankheiten. Das sogenannte Nervenfieber hatte sich in den letzten Monaten auch in Jöllenbeck stark ausgeweitet und etliche Opfer gefordert.
Die weiter fortschreitende Verarmung der Unterschichten in Preußen führte dann im März 1848 zu größeren Unruhen. Auch der Bielefelder Magistrat und die Leinenhändler befürchteten Aufstände der Spinner und Weber auf dem Lande. Es kam jedoch nur zu ungeplanten Tumulten, die durch ein reqirirtes und eingetroffenes Commando von den in Bielefeld stationirten Truppen, bald beseitigt wurden.
Quellen:
Vgl. Fischer, H.E.F.: Denkschrift von 1809 über die Lage in Ravensberg, hg. und eingeleitet von G. Angermann, in: JBHVR 74 (1982/83).
Vgl. Riepenhausen, H.: Die bäuerliche Siedlung des Ravensberger Landes bis 1770, Münster 1938
Bildnachweis:
Privatarchiv Kassing u. HV-Jöllenbeck