Das geistliche Leben in dieser Region prägte in früheren Jahrhunderten das Stift Schildesche. Verbunden mit einem umfangreichen Ausbau der Jöllenbecker Kirche wurde Jöllenbeck bereits 1308 ein eigenes Kirchspiel als Vikarie des Stiftes Schildesche. Der erste Pfarrer in Jöllenbeck wird wahrscheinlich um 1330 Henricus de Jolenbeke gewesensein. In den nächsten Jahrhunderten wirkten namhafte Pfarrer in Jöllenbeck, die weit über die Region hinaus bekannt wurden.
Von Oktober 1768 bis April 1804 war Pastor Johann Moritz Schwager Pfarrer in Jöllenbeck, der als Aufklärer auf dem Lande in die Geschichte eingegangen ist.1 Er war ein begnadeter Theologe, Lehrer, Publizist, Schriftsteller, Volksmediziner und Satiriker. Europaweit pflegte er Kontakte zu namhaften theologischen und literarischen Kreisen. Seine Botschaft war vor allem geistige Aufgeschlossenheit, Neugier und Toleranz. Pietismus und Separatismus, damals in Westfalen, so auch in Jöllenbeck, weit verbreitet, waren Schwager ein Gräuel. Ein besonderes Verdienst Schwagers fürs eine Gemeinde war die Einführung der Pockenschutzimpfung. Durch seine Erkenntnisse wurden auch die Anbaumethoden in der Landwirtschaft verbessert, welches eine Steigerung der Erträgnisse zur Folge hatte und damit den Lebensunterhalt der Bevölkerung sicherte. 34 Jahre seines Wirkens prägten das kirchliche Leben der Gemeindeim Rahmen der Aufklärung und des Rationalismus. 2
Johann Moriz Schwager 4
„Gerettet sein schafft Rettersinn“ war das Leitmotiv und die Glaubenseinstellung des Jöllenbecker Pfarrers Johann Heinrich Volkening (1796–1877). Er gab einen wesentlichen Anstoß zur Erweckungsbewegung im Ravensberger Land. Die Innere und die Äußere Missionsbewegung und die Entstehung der Missionshäuser sowie vielfältiger Missionsveranstaltungen nahmen dadurch ihren Anfang. Die Gründung eines Jöllenbecker ev. Jünglingsvereins (1838 – später CVJM) und eines Posaunenchores (1843) – der erste in Westfalen – gehen auf die Initiative Volkenings zurück.
Allein aus der Gemeinde Jöllenbeck sind bis 1900 etwa 100 junge Frauen und Männer in die Diakonie und in die Äußere Mission eingetreten, Entscheidungen, die damals auch durch das Werk „Vater“ Bodelschwinghs stark beeinflusst wurden. 1852 war Volkening maßgeblich an der Gründung des Schildescher Rettungshauses beteiligt, ein Hausfür „verwahrloste“ Kinder. Die erste soziale Einrichtung in Jöllenbeck, ein Armen- und Waisenhaus, gründete Volkening 1860 mit Unterstützung der Gemeinde. In seiner Amtszeit wurde auch die Jöllenbecker Marienkirche gebaut (1854 geweiht).
Johann Heinrich Volkening 5
Während sich Jöllenbeck schon im 14. Jahrhundert von der Schildescher Muttergemeinde gelöst hatte, folgte dieser Schritt für Theesen und Vilsendorf erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Bevölkerungszunahme in diesen Gemeinden, die besonders durch den Zuzug der Vertriebenen und Flüchtlinge nach 1945 schlagartig anstieg, sowie die weiten Wege zur Kirche und zum Friedhof ließenden Ruf nach eigenen gottesdienstlichen Versammlungsstätten und Selbständigkeit deutlicher werden. In diesem Zuge entstand 1951 die Auferstehungskirche in Theesen als erste Hallenkirche des Kirchenkreises Bielefeld nach dem Zweiten Weltkrieg. 1958 erlangte die Kirchengemeinde Theesen-Vilsendorf ihre Selbständigkeit und wurde von Schildesche abgepfarrt. 1962 erlangte wiederum die Vilsendorfer Gemeinde, die als gottesdienstlichen Raum zunächst die dortige alte Schule verwandte, ihre Eigenständigkeit und konnte im November 1963 die neue Epiphanias-Kirche einweihen. 3
Ev. Marienkirche Jöllenbeck 6 | Kath. Liebfrauenkirche Jöllenbeck 6 | Ev. Epiphaniaskirche Vilsendorf 6 |
Ev. Auferstehungskirche Theesen 6 | Neuapostolische Kirche Jöllenbeck 6 | Moschee Islamischer Kulturverein 6 |
Ein geschichtsträchtiges Datum für Jöllenbeck war der 18. Dezember 1944, denn in der Jöllenbecker Marienkirche fand zum ersten Mal seit der Reformation wieder ein katholischer Gottesdienst statt. Katholische Evakuierte, vor allem aus Köln und dem Ruhrgebiet, zogen nach Jöllenbeck, um sich vor der Bombardierung der Großstädte in Sicherheit zu bringen. Nach Kriegsende wuchs die Zahl der katholischen Christen durch den Zuzug der Flüchtlinge erheblich an. Die seelsorgerische Betreuung erfolgte von der Schildescher Gemeinde. Der katholische Gottesdienst fand jedoch ab Ostern 1946 regelmäßig in der Evangelischen Marienkirche statt – vor Ort gelebte Ökumene. 1958 konnte nach langer Planungsarbeit die katholische Liebfrauenkirche durch Erzbischof Lorenz Jäger geweiht werden. In den nächsten Jahren erfolgten Um- und Anbauten, so dass heute in Jöllenbeck ein attraktives katholisches Gemeindezentrum mit Kirche, Gemeindehaus und Pfarrhaus besteht. 1972/1973 bauten die neuapostolischen Christenin Jöllenbecks Ortszentrum ein eigenes Kirchengebäude. Seit 1994 gibt es eine Moschee des Islamischen Kulturvereins.
Quellennachweis
1) Halama, Udo: Ein Kreuz verbindet. 150 Jahre Marienkirche Jöllenbeck. Bielefeld 2004, S. 170 ff.
2) Frank Stückemann: Johann Moritz Schwager (1738-1804). Ein westfälischer Landpfarrer und Aufklärer ohne Misere, Bielefeld 2009.
3) Kai-Uwe von Hollen: Zur Entstehung der Auferstehungskirche in Theesen vor 60 Jahren, in: Ev.-luth. Auferstehungskirchengemeinde Theesen (Hg.): Festschrift 60 Jahre Auferstehungskirche Theesen, Bielefeld 2011, S. 9 ff.
Bildnachweis:
4 ) LwL
5 ) Wikipedia
6 ) Archiv HV-Jöllenbeck